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Wer bei Instagram Pöhlers täglich geschaffene Werke verfolgt, sieht, wie er die Vielfalt der malerischen Mittel, die ihm durch das Aquarellieren gegeben sind, nutzt. In den abstrahierten Werken, die stets nah an dem Vorbild der Natur sind, haben sich die in Wasser aufgelösten Pigmente auf dem Papier in unterschiedlichster Form eingebettet.

Es scheint auf den ersten Blick ein faszinierendes Durcheinander zu sein, das sich beim genaueren Hinsehen jedoch als wohl überlegte Kompositionen offenbart. Dabei sind Farbinseln, die an den Rändern ausfransen, stärkere und dünnere Striche und Linien, nur hingehauchte, kaum sichtbare Spuren oder mehrfache Überlagerungen in bewusst ausgewählten Farbtönen zu erkennen, die als Ganzes eine faszinierende Kombination bieten, die Pöhler aus dem Denken an die Natur respektive aus seiner eigenen Anschauung heraus realisiert. Oft bleibt er bei den einzelnen Bildern in einer einheitlichen Farbpalette und setzt dort gezielt Kontraste, wo es ihm notwendig erscheint. Viele seiner Kompositionen wirken luftig-leicht und vermitteln ein Bild der Natur, das uns zeigt, wie zerbrechlich und schützenswert sie ist.

Es sind nicht nur die täglich entstehenden Arbeiten, die Pöhlers Schaffen auszeichnen, sondern auch seine Aquarelle, die er auf seinen Reisen im Freien malt. Hier realisiert er inmitten der ihn umgebenden Welt Bilder, die Landschaftsausschnitte in den Bergen, am Meer oder im urbanen Raum, aber auch ins Detail gehend Bodenpflanzen, Flechten, Moose, Steine und Muscheln zeigen. Dabei hält der Künstler in einem Statement fest: „Die Natur gibt mir Anregung für mein bildnerisches Schaffen. Wald und Wasser, Pflanzen, Muster, Licht- und Schattenspiel sind meine Themen.“ Das große Ganze ist für Pöhler ebenso interessant und bildwürdig wie das kleinste Objekt, das sich direkt vor ihm auf dem Boden befindet. Hier rückt er ganz nah heran und zeigt einen Ausschnitt aus der Natur, der uns Betrachterinnen und Betrachter dazu anregt, selbst genauer hinzuschauen und die einzelnen Farben und Formen zu studieren. Allein mit diesen zum Teil als Studien gedachten Arbeiten, wie sie z.B. im August 2020 am Strand entstanden sind, gelingt es Pöhler, allein mit Pigment und Wasser faszinierende Welten vom Innenleben der Natur zu machen und zugleich eine Geschichte von ihrer Schönheit und ihrem Reichtum zu erzählen.

Insbesondere in den wie gleichsam in die Natur hineingezoomten Arbeiten zeigt sich Pöhlers Interesse für das einzelne Objekt, das er mit einem analytischen Blick aufnimmt und in seinen charakteristischen Eigenheiten bildnerisch darstellt. Zugleich gestattet er sich als Künstler die Freiheit, das Gesehene malerisch zu interpretieren und in seinen eigenen bildnerischen Kosmos aufzunehmen. Das Gleiche gilt für die Bilder, in denen er größere Landschaftsausschnitte zeigt. Es sind genau beobachtete Motive, die jedoch in ihrer Darstellung nicht eindeutig wiederkennbare Orte zeigen, sondern die ungezwungene Freude des Künstlers an der malerischen Arbeit einer gewählten Szenerie offenbaren. Nicht die akkurate Wiedergabe ist hier das Ziel, sondern das Einfangen einer Stimmung, einer Atmosphäre im jeweiligen Augenblick des Schaffens. So ist in dem Zusammenhang bekannt, dass das Malen en plein air stets von den äußeren Einflüssen geprägt ist, die z.B. eine schnelle Veränderung des Lichts und der Farben bedeuten. Doch darin liegt auch der Reiz des Malens im Freien. So unterliegt der Maler dadurch einer spannenden Herausforderung, die er im Innenraum nicht hat. Berühmte Beispiele finden sich im 19. Jahrhundert bei den Impressionisten, die bewusst das Malen im Freien gewählt haben, um die raschen Veränderungen direkt auf Papier und Leinwand festzuhalten. In Pöhlers Schaffen sind es vor allem die Gruppe der Bergwelten, die er im September 2020 während seines Aufenthalts in den Alpen geschaffen hat. Gerade hier verändern sich wetterbedingt Licht, Farben und Stimmung besonders schnell und der Maler muss das vor ihm liegende Motiv zügig auf das Papier bringen. Auch spielt hier das Wasser als zentrales Medium eine wesentliche Rolle, denn wenn möglich, versucht er immer das Wasser vor Ort zu nutzen, sei es die Quelle im Wald, der Bach am Feld oder das Meerwasser vom Strand.

Unabhängig davon, ob Pöhler seine Arbeiten im Innenraum schafft oder im Freien direkt vor dem natürlichen Vorbild steht, betreibt er mit großer Leidenschaft das Aquarellieren. Zuvor hat er in den 1990er Jahren auf Keilrahmen aufgezogene Arbeiten in Dispersion auf Karton geschaffen, die als abstrakte Kompositionen das Interesse Pöhlers für die Natur als künstlerisches Vorbild ihrerseits belegen. Hier realisierte er z.B. in der Reihe Salzburg 1995 farbintensive, expressive Bilder, die den gestischen Pinselstrich, den er auch in seinen Aquarellen hat, in wesentlich größerem Format anschaulich machen. Mehr als in den Arbeiten auf Papier treten in ihnen das Unbändige und Kraftvolle der Natur vor Augen und vermitteln eine Vorstellung von ihrem mitunter unberechenbaren Wesen.

Sowohl in der figürlichen Wiedergabe, die das Motiv noch realistisch erscheinen lässt, als auch in der stark abstrahierten Komposition, die vielfältige Interpretationen und Assoziationen gestattet, ist die Natur als allgegenwärtiges Vorbild in Pöhlers Malerei auszumachen. Aufgrund dieser unerschöpflichen Motivwelt, die der Künstler ausgewählt hat, bleiben ihm unzählige weitere Möglichkeiten, Werke zu schaffen, die in weiteren Variationen das faszinierende Spannungsfeld zwischen Figuration und Abstraktion aufzeigen. Daher werden noch viele Aquarelle entstehen, die das bildnerische Erleben des Künstlers stets auf das Neue wiedergeben. Mit den technischen Mitteln des Aquarells gelingt das malerisch in der lichtesten Form.

Dr. Sabine Schlenker (Freie Kuratorin und Autorin)